Rede vom Müll (11)
Tut mir leid, Kinder: Weiter zurück reicht das Familiengedächtnis kaum, es verliert sich in den Wäldern. Wanderarbeiter, dem Holz­einschlag folgend, dazu bestimmt, ei­nem Materiestrom zu dienen, dem »maschinellen Phylum«, muskelstolz und alters­los, da früh sterbend, keine Kerben im Bewusstsein der Nachrücken­den hin­terlassend, die auf nachlassende Körperkraft, Leiden am Organis­mus und Angst vor dem Unausweichlichen hindeuten und eine Auseinan­dersetzung erzwingen, unfähig also zur Antizipation. Nun also Altwerden als Erfahrung des Neuen, des nie Dagewesenen, der privilegierten Krän­kung, der Bilder. Am gleichen Tag, an dem deine Großtante ihren ersten Anfall bekommt, erscheint auf der Schulter eines vierzigjährigen Bauern in einem Dorf nahe Semipalatinsk eine stecknadelkopfgroße Erhebung, die sich in den kommenden Tagen und Wochen zu einem fußballgroßen Gebilde auswächst, einem Nebenkopf – während in dem anderen, dem wirklichen Kopf seltsame Dinge vorgehen, die man später einmal nachlesen können sollte. Ich habe das Gesicht deiner Tante nicht gesehen, als sie das Foto des Fremden betrachtete, ein bekanntes Foto, das um die Welt ging. Man erkennt den Vorteil der areligiösen Erziehung. Früher wäre der Mann aus dem Ort gejagt worden, da ein Fluch auf ihm lastete, jetzt zucken die Leute die Achseln: es kann jeden treffen. Keiner weiß, wie der Mann mit den zwei Köpfen darüber denkt, der doppelt namen­lose. Sicher ist, dass er von der Medizin verlangt, sie solle das für ihn regeln. Und er hat recht. Schließlich hat er zu tun. Das Dach muss neu gedeckt werden, die Fabrik ist zwei Stunden entfernt. Zum Nachdenken bleibt wenig Zeit.