Rede vom Müll (8)
Unaufhörlich mischen sich Phantasie und Wirklichkeit, draußen, im Klärschlamm, sinkend, wirbelnd im Feuer der Verbrennungsanlagen und durch turmhohe Schlote den Weg in die Stratosphäre suchend. Schillernde Ölbänder schlingen sich um den Globus, dirigiert durch Strömungen, Sinkgeschwindigkeiten, spezifische Dichte. Drinnen, reizend, Trüffelkonfekt, am warmen Sofaeck aus der glitzernden Hülle be­freit, dem raschelnden Nichts. Ein durchschnittlicher Gebrauchsgegen­stand benötigt 120 Tage zu seiner Herstellung, er dient, sta­tistisch, dreieinhalb Tage lang seinem Zweck, um anschließend 30 Jahre lang zu verrotten. Ihn herzustellen, hält 12,7 Menschen in Brot, 2,5 verdienen an seiner Entsorgung, 1,2 Men­schen könnten sa­gen, sie hätten ihn benützt, hätten sie es nicht bereits vergessen. 12,7 Men­schen, das sind die üblichen Anteile Krebs, Staublunge, Störungen des Nervensystems, Kopfschmerzen, Bandscheibenleiden, Aller­gien und Neuropathien, Magendurchbrüche, in­nere Verletzungen, äußere Ver­letzungen, Quetschungen, Stauchungen, Prel­lungen, Brand- und Erstickungsopfer, Familienkri­sen, Finanzkrisen, Staatskrisen, Sinnkrisen. 30 Jahre Verrottung: das sagt nichts über die kumulative Wir­kung, die geometrische Progression, in der der Müll vom Planeten Besitz ergreift. 30 Jahre Verrottung: das unter­schlägt die absehbaren Leiden künftiger Generationen synchron mit der Vergiftung von Luft, Bo­den und Wasser, Verschie­bun­gen im globalen Wärme­haushalt, Veränderungen von Landschaft, Ve­getation und Population, UV-Strahlung, apropos Strahlung... –